Christina Wimmer

Christina Wimmers Objekt-Kompositionen wirken wie seismographische Momentaufnahmen jener „Schutthalde“ bzw. jener Irrtümer, die euphemistisch als „Fortschritt“, immer öfter aber als „Fortschrott“ bezeichnet werden. Kulturtheoretisch steht für diese Situation der wohl „abstraktere“ Begriff der sogenannten „Postmoderne“. Bei allen durchaus auch paradoxen Versuchen einer Bestimmung unserer historischen Epoche, bleibt ein Merkmal doch signifikant: Die Postmoderne muss mit der Moderne „fertigwerden“, das heißt wir müssen am Ausgang einer historischen Entwicklungsepoche, die seit der Renaissance bis ins 20. Jahrhundert reichte, mit den teils katastrophalen Folgeerscheinungen „leben“ lernen. Nur kurz sei daran erinnert: Die Politik führte im 20. Jahrhundert zu zwei globalen Katastrophen, denen im 2. Weltkrieg auch die humanistische Katastrophe (Holocaust und Atombombe) folgte. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeichneten sich die Umwelt-Problematik (die heutige Öko- und Klima-Krise), die Krise der Arbeit (Wirtschaftskrisen in immer kürzeren Abständen seit Mitte der 70er- Jahre) und die Energiekrise ab. Der „Sieg“ des Konsum-Kapitalismus über den Kommunismus führte umgehend in die heutige Finanz-Krise – all das macht uns eines deutlich: Wenn wir mit den Gewohnheiten der „Moderne“ wie bisher weitermachen, überleben wir unter Umständen die sogenannte „Nach-Moderne“ nicht. Vermehrt greifen Künstlerinnen und Künstler auf vorfindbares, meist unbeachtetes „Material“ für ihre künstlerische Gestaltung zurück – seien es „Fundstücke“ natürlichen oder technischen „Ursprungs“. Dieses im Alltag oft als Abfall und „Schrott“ angesehene Material unserer modernen Lebenswelt wird nicht nur ästhetisch „entfremdet“ und defunktionalisiert, er wird auch nicht nur ästhetisiert und damit zum ästhetischen Objekt (gleichsam als Element der Schutzzone „Kunst“), sondern er wird in völlig neue Verwendungsweisen integriert. Die eigentliche Frage besteht ja kaum darin, die „ästhetische“ Qualität unseres Abfalls zu entdecken, sondern eher darin, wozu wir ihn verwenden können, so dass es eben kein Abfall mehr ist. Kurz gesagt: Recyclen und Upcyclen sind ein lebensnotwendiges Muss. In diesem Sinne könnte man den Produktions-Prozess der Künstlerin gleichsam als „Upcycling-Art“ bezeichnen. Dabei geht es eben nicht darum, etwas bzw. die verwendeten Gegenstände als ästhetisch ansprechend zu empfinden, sondern eher darum, diese vorgefundenen Objekte (objet trouvées) unserer Müll-Welt in neue, aber eben unserer (!) Zeit entsprechende Gestaltungs- und Artikulationsformen zu transformieren. Konnte ein Leonardo da Vinci in der Darstellung der „Heiligen Familie“ oder Mona Lisas noch einen „authentischen“ künstlerischen Ausdruck seiner Zeit geben, so wären etwa „Krach-Zack“ oder „Strom aus“ wohl die authentischen Symbole der heutigen Zeit. Schmetterlinge, die von uns mit Schrotpatronen „gejagt“ werden, das heißt „Natur“ – vom Gänseblümchen bis zur Arktis –, die wir mit hypertropher, destruktiver Technik bis in das letzte Molekül „verfolgen“, ein „Luxus-Schiff“ („Trööt“), das aus einem ausrangierten Snowboard der Künstlerin besteht und voll bepackt mit zivilisatorischen „Versatzstücken“ ist – derart verweist die Künstlerin auf „Probleme“ des Wintersports und des Tourismus insgesamt. Und schließlich zeigt sie uns einen scheinbar wohlbehüteten Fötus, auf den die Spitze einer Patrone zielt – lediglich eine labile Fixierung des Hammers hält ihn noch davon ab, die „zündende“ Pendelbewegung zu vollziehen. Aber der Schuss (dies deutet die Feder, auf der die Patrone fixiert ist, an) könnte jederzeit auch „nach hinten“ losgehen – ja er wird auf jeden Fall „nach hinten“ losgehen!