Daniel Wetzelberger

Die vorliegenden Keramik-Arbeiten Daniel Wetzelbergers bewegen sich an der Grenzlinie zwischen bildlicher und plastischer Formgebung. Die Intention des Künstlers zielt darauf ab, das Phänomen der plastischen und damit dreidimensionalen Keramik bzw. deren Gestaltungsmöglichkeiten auch als „Bild“, das heißt auch in zweidimensionaler Form umzusetzen. Mit diesem Vorhaben wird aber die grundsätzliche Fragestellung der Kriterien des Phänomens des Bildlichen und des Plastischen angesprochen. Kurz gesagt: Wann ist etwas ein Bild und wann eine Plastik oder Skulptur? Welche Kriterien können zur jeweiligen Definition angeführt werden und welche „Bedeutung“ kommt dieser Problematik auf kunsttheoretischer Ebene zu? Schon ein kursorischer Blick in die Geschichte der Theorie der Kunst (bzw. der „Künste“) zeigt, dass der Ansatz Daniel Wetzelbergers Aspekte mit durchaus konkreten Auswirkungen in der Entwicklungsgeschichte der Kunst und Kunsttheorie anspricht. Ausgehend von einem (alten) „Streit der Künste“ (vor allem der Dichtung, Musik und Malerei) über ihre jeweiligen Vorzüge und darüber, welche Kunstform nun die „höchste“ und „ehrwürdigste“ sei, entwickeln Gotthold Ephraim Lessing und Friedrich Schiller grundlegende Unterscheidungskriterien, indem sie die einzelnen Kunstgattungen in sogenannte „Zeit- und Raumkünste“ unterteilen. Erinnert sei hier aber auch an Leonardos „Paragones“, das heißt seine Streitgespräche über Dichtung und Malerei, mit denen er versuchte, die Vorzüge der Malerei gegenüber der Poesie darzustellen! Musik und Dichtung werden den Zeitkünsten zugerechnet, Malerei, Bildhauerei und Architektur werden als Raumkünste definiert, wobei sich die Malerei von den plastischen Formen durch ihre Beschränkung auf die zweidimensionale Flächigkeit auszeichnet. Die Erscheinungsweisen des Bildlichen, der Ikonizität und des Plastischen unterscheiden sich stricto sensu nur in einem einzigen Merkmal – in jenem der Dimensionskoordinaten, aber nicht in anderen Merkmalen wie jenen der Chromatizität oder anderer formaler Gestaltungsfaktoren. Dies spiegelt sich auch in der von Eugène Delacroix kommenden und durch den Kunstkritiker Maurice Denis um 1890 formulierten Definition der Malerei: „Malerei ist eine zweidimensionale Fläche mit Farben und Linien in einer bestimmten Ordnung, bevor es etwas darstellt.“ Paradoxerweise wird diese Definition gerade in jenem Aspekt durch die Malerei selbst wieder aufgehoben, der sie auszeichnen sollte. Kubismus und Dada überschreiten die zweidimensionale Beschränkung des Bildes durch Collagetechnik oder z. B. auch Nägel, die in die Bildfläche geschlagen werden. Lucio Fontana schlitzte Leinwände auf, um sie zu Skulpturen zu machen, das heißt zu dreidimensionalen Objekten. Diesen kunsthistorischen Entwicklungsgang des Bildlichen ins Objektuale versucht Daniel Wetzelberger nun umzukehren – das keramische Gestalten soll vom Plastisch-Räumlichen auf eine flächenhafte Bildlichkeit „reduziert“ werden. Eine Annäherung dazu ist die Vermeidung gegenständlich-konkreter, räumlicher Assoziationen durch weitgehend abstrakte Strukturen. Diese bilden sich durch das langsame Eintropfen der zähflüssigen Keramikmasse, deren „Spurenrelief“ im Grunde ein Muster des Fließ- und Trocknungsprozesses ist, in den der Künstler nur dann eingreift, wenn der Keramikfluss ins Stocken gerät. Diese abstrakten graphischen Lineaturen der keramischen Masse repräsentieren in dieser Hinsicht eine seismographisch- chronologische „Spurensicherung“ des beinahe meditativen Werkprozesses. Jede dieser Keramik-„Zeichnungen“ stellt in Wahrheit eine visuelle Verdichtung und Speicherung der dafür „verbrauchten“ Zeit dar – sie erzählen die Geschichte unterschiedlicher Trocknungszeiten, des langsameren oder schnelleren Fließens der Keramik-Masse und des sporadischen Eingreifens. Je nachdem, ob der Künstler entscheidet, sie in einem Rahmen zu zeigen oder nicht, variieren die Arbeiten zwischen ihrer Erscheinungsweise als Bild oder als Skulptur mit zwei „Bildseiten“. Im Gegensatz dazu zeigen die Zeichnungen den umgekehrten Weg: Durch materielle Reste der Wurzeln, die Daniel Wetzelberger auf die Blätter presste, werden hier die zarten grafischen Spuren des feineren verzweigten Wurzelgeflechts teilweise zu einem leicht plastischen Relief – die reine Flächigkeit wird in eine zumindest „bescheidene“ Räumlichkeit transformiert und materialisiert.