Roswitha Weingrill

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In der westlichen Lebenswelt sind Technik und Technologien kaum mehr wegzudenken – zu sehr sind unsere Lebensräume und Verhaltensweisen durch eine umfassende Technisierung bestimmt. Der Slogan eines „Zurück zur Natur!“ ist ein mittlerweile Jahrhunderte alter Romantizismus, den bei seiner Verwirklichung kaum ein Individuum, geschweige denn eine Gesellschaft als Ganzes überleben könnte. Freilich verstärken zunehmend zerstörerische Auswirkungen einer uneingeschränkten Technisierung bzw. Ökonomisierung der technischen Entwicklungen die Wahrnehmung der damit einhergehenden Bedrohung natürlicher Um- und Lebenswelten. Dem entsprechend erscheint alles Technische zunehmend janusköpfig – sie fasziniert und zeigt gleichzeitig ihr schlangenköpfiges Medusenhaupt. Martin Heidegger hat ja bereits die „Frage der Technik“ gestellt und sie philosophisch zu beantworten versucht, heute stellt sie sich möglicherweise primär in Form einer Zwangsneurose: Warum sind wir von technischen Produkten (heute besonders in Form der Kommunikations- und Informationstechnologien wie Handy und Computer) derart fasziniert, dass wir im Grunde alle Risiken (und dies oft auch gegen alle Vernunft) in Kauf nehmen? Die Entwicklung der Technologien, die immer stärker den alltäglichen Lebensablauf prägen, spaltete aber die „Menschheit“ auch in zwei Gruppen – in jene, die diese technischen Produkte, die unsere Sucht hervorbringen, konstruieren und so gleichsam ihr „inneres“ Wesen (d. h. ihre mechanische Funktion oder den programmatischen „Code“, also „Hardware“ und „Software“) kennen bzw. „verstehen“ und in jene Mehrheit, die diese Techniken lediglich zur Umsetzung pragmatischer Zwecke gebraucht. Um moderne Techniken und Technologien gebrauchen zu können, muss man sie aber keineswegs verstehen – ja es scheint sogar „vernünftiger“, sie nicht verstehen zu wollen, denn dies würde uns von ihrer Benützung abhalten. Um es lakonisch auf ein Allerwelts-Beispiel zu bringen: Um ein Auto fahren zu können, muss man nicht wissen, wie der Motor funktioniert! Das Kennzeichen der paradoxen Faszination durch Technik ist also, dass wir sie keineswegs verstehen müssen, um sie trotzdem gebrauchen zu können. Fasziniert ist man, weil technische Produkte einfach funktionieren, ohne wissen zu müssen, warum und wie. Deshalb verliert ein nicht funktionierendes technisches Produkt auch schnell seine Faszination und man reagiert mit Zorn bzw. mit dem Gefühl der Hilflosigkeit. Der Umgang mit Technik ist ein Umgang mit so genannten Black-Box-Phänomenen – der innere Funktionsmechanismus ist unerkennbar. Roswitha Weingrill greift diesen Aspekt alles Technischen als Black-Box auf: Obwohl die physikalischen, technisch-mechanischen und mathematischen Formalismen des technischen Funktionsprozesses für sie gleichsam eine völlig „unverständliche Sprache“ darstellen, ist sie gleichzeitig von diesen Konstrukten fasziniert. Dem entsprechend versucht sie über die visuelle Bildsprache eine Art „Aneignung“ der technischen Sprache, m. a. W. sie verwendet den ihr geläufigen Bild-Code, um sich dem Phänomen „Technik“ anzunähern. Aus den Abbildungen verschiedener Technik-Lexika konstruiert sie in einem eher meditativen Prozess des Zeichnens auf Millimeterpapier teilweise fiktive Maschinen, sie kombiniert technische Einzelstücke zu dysfunktionalen Apparaturen. Derart entstehen enigmatische Technik-Artefakte – gleichsam als technische Rätsel des Rätsels der Technik. Das für viele Unverstehbare zeigt sich in diesem Fall auch tatsächlich als etwas nicht zu Verstehendes – wehe dem, der anhand dieser technischen Konstruktionen versucht, eine Funktionslogik zu eruieren! Als „künstlerische“ Arbeit mögen diese Übungen vielleicht irritieren und dennoch will sie Roswitha Weingrill mit einer kunsttheoretischen Aussage verstanden wissen – einerseits als (ironisches?) Statement gegen eine Einschränkung des Kunstbegriffs auf „Expressives“ und andererseits erweisen sich diese Studien gleichsam als „Disziplinierung“, als Übung des Auges und der zeichnerischen Transformation – auch wenn der spielerische Aspekt bestimmend bleibt. Stellt sie aber mit ihrer so „technischen“ Arbeit nicht tatsächlich auch Erwartungshaltungen gegenüber dem, was Kunst heißen soll (darf, muss) in Frage?