Andreas Vormayr

http://andreasvormayr.at
Austria

Andreas Vormayrs experimenteller Umgang mit der Photographie führt in den vorliegenden Arbeiten zu einem (scheinbaren) Paradox – zumindest aber zur Aufhebung des „klassischen“ Verständnisses dessen, was unter dem Begriff und der Technik der Photographie zu verstehen ist. Kann noch von Photographie gesprochen werden, wenn kein Photoapparat verwendet wird, d. h. wenn nur ein bestimmter Bereich des an sich notwendigen photochemischen Bildentstehungsprozesses zur Anwendung kommt? Durch welche unabdingbaren Variablen wird eigentlich das Medium der Photographie bestimmt? Nicht zufällig spricht Andreas Vormayr angesichts seiner experimentellen Zugangsweise zur photographischen Technik hier auch von „Chemogrammen“ – er bezeichnet damit explizit einen Unterschied zur herkömmlichen Photographie. Aber auch der Begriff des „Chemogramms“ dürfte das Spezifikum des von ihm gewählten Produktionsprozesses nicht exakt genug benennen – unter Umständen sollte eher von „Chemophotographien“ gesprochen werden – immerhin sind die entstandenen Bildprodukte noch immer Ergebnis eines chemischen Reaktionsprozesses unter Einwirkung von Licht – in diesem Sinne entsprechen sie dem Photo-Entwicklungsprozess analoger Technik. Indem sich Andreas Vormayr bei der Bildgenerierung auf diese Komponenten beschränkt, rekurriert er im Grunde auf den historischen Ursprung der Photographie als Aufzeichnungs- und Speichermedium, d. h. als Medium, das den bis dahin vergänglichen, instantanen optischen Sehprozess (wie ihn ja schon die Technik der Camera obscura „imitierte“) in einem Trägermaterial auch „speicherte“, um so einen mehr oder minder flüchtigen Moment als „Lichtspur“ in Form einer chemischen Reaktion in eine dauerhafte Form zu transformieren. Die wesentliche Errungenschaft in der Entwicklungsgeschichte der Photographie war in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts weniger die optisch-technische Apparatur als vielmehr die Entdeckung und Verbesserung des lichtsensitiven Trägermaterials, das eben eine dauerhafte Veränderung unter Einwirkung von Licht zuließ. Das Originäre an der Photographie ist nicht im Apparat zu suchen, sondern vielmehr im Träger- und Speichermaterial – sei es in analoger oder digitaler Technik. Jedenfalls beschränkt sich diese experimentelle Chemophotographie Andreas Vormayrs strikt auf die primär photochemische Disposition: Als „Negativ“ genügt lichtempfindliches Papier, das nun in Umkehrung entwicklungstechnischer Abläufe z. B. zunächst in die Fixierlösung getaucht wird und in Wellen vom Papier abläuft. Je nach Abrinn- und Einwirkungszeit entstehen nun durch die Reaktion im Entwicklerbad unterschiedliche Schwärzungsgrade. Die so entstehenden Formen oszillieren zwischen plastisch wirkenden oder ephemer und diaphan anmutenden Gebilden. Diese hinsichtlich des künstlerischen Gestaltungsprozesses eher zufälligen, aber in ihrer Entstehung primär chemisch-physikalischen Naturgesetzlichkeiten folgenden Bildformen sollte man weniger im Sinne einer bildhaften Darstellung von „etwas“ anderem interpretieren als vielmehr im Sinne einer rein formalen Bildhaftigkeit, d. h. als „reine Sichtbarkeitsformen“. Bereits die Deutung dieser Formen als biomorphe Gebilde würde dem Charakter dieser chemophotographischen Spuren widersprechen – sie verweisen auf nichts anderes als auf sich selbst – als Gestaltung, die nur als ästhetisches Phänomen wahrgenommen werden soll. Auch damit „unterläuft“ Andreas Vormayr das herrschende Verständnis und die alltägliche Gebrauchsweise der Photographie als Darstellungsmittel – hier ist die photographische Technik kein bloßes Mittel, um etwas anderes als Bild zu „verewigen“, hier ist das Medium selbst, vor allem der „chemisch-photo-graphische“ Aspekt, repräsentiert – das Medium ist hier selbstreflexiv und „zeigt“, wie es auf chemischer Ebene „arbeitet“. Damit entspricht er dem spezifischen Eigenwert des Mediums der Photographie weit mehr als jede bloße „Ablichtung“.