Lea Titz

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In der Arbeit von Lea Titz zeigt sich eine subtile Auseinandersetzung mit medialen Reproduktionstechniken. Die auf filigranem Barytpapier entwickelten Photoarbeiten stellen gleichsam eine verdichtete Struktur mehrerer medialer Repräsentationstechniken dar. Schon die gewählten Bildsujets – Ausschnitte einer Faksimile-Ausgabe des Reiner Musterbuches (ca. 13. Jh.) – sind bereits eine ursprüngliche Vorlage zur graphischen Reproduktion durch Schüler, um die Fähigkeiten des Zeichnens zu erwerben, aber auch um eine exemplarisches Repertoire stereotyper Formen für immer wiederkehrende Darstellungselemente für spätere Zeichner und Schreiber des Mittelalters zur Verfügung zu stellen. Dabei verraten diese mittelalterlichen Musterbücher eine medien- und kunsttheoretisch hochaktuelle Ausgangsfrage. Die graphischen Gestaltungsmodi der Musterbücher zielten nicht auf einen möglichst naturgetreuen Darstellungsstil ab sondern auf zeichnerische „Typo-Graphien“, die durch eine allgemeine, charakteristische Formensprache das Dargestellte erkennbar werden lassen sollten, d. h. man suchte z. B. nach typischen Strukturen des Dargestellten (etwa eines Tierfells oder der Borsten eines Schweines), um sie ebenso „typo-logisch“ (verallgemeinernd, stilisierend) und nicht individuell bzw. „naturgetreu“ graphisch umzusetzen. In den Darstellungen der mittelalterlichen Musterbücher wie der mittelalterlichen Kunst insgesamt war also nicht das spezifische und individuelle Objekt darzustellen sondern das Phänomen in einer typischen Erscheinungsweise – jede Darstellung eines Objekts war nicht nur die Darstellung des Einzelexemplares sondern viel mehr seine allgemeine Charakteristik – meist mit symbolischen Konnotationen. Dieser Intention entspricht auch die abstraktive Formgebung des mittelalterlichen Darstellungsstils, die vor allem in der Formensprache der Musterbücher ihren Ausdruck fand. Indem sich Lea Titz in der Wahl der Bildsujets auch auf Ausschnitte der graphisch- abstrakt stilisierten „Typen“ einer Fell- und Borstenstruktur konzentriert, kommt dieser stark abstrahierende Duktus mittelalterlicher Zeichenund Reproduktionskunst signifikant zum Vorschein. Ebenso zeigt sich, dass auch der manuellen graphischen Darstellung eine Matrix bzw. ein Raster zugrunde liegt, mit anderen Worten ein „Filter“ des Wahrnehmens und Darstellens der Welt – lange bevor es technische Reproduktionsmöglichkeiten gab. Die Matrix der technischen Reproduktionsmodi wird durch die von Lea Titz gewählte Reproduktions- und Darstellungstechnik evident – vor allem da sie die üblicherweise automatisierten Einzelschritte von der photographischen Aufnahme bis zur Entwicklung medial „aufbricht“. So photographiert sie die Musterbuchsujets zwar digital, geht aber im folgenden Reproduktionsschritt von der digitalen Aufnahmewiedergabe am Display aus, den sie durch ein analoges Vergrößerungsverfahren auf das lichtsensitive Barytpapier projiziert. Auf diese Weise „lichtet“ sich in Wahrheit der Display-Raster ab, der die Farbraster-„Punkte“ der Digitalaufnahme wiedergibt und so die „innere“ formale (digitale) Bildstruktur erkennbar werden lässt. Die Erkennbarkeit der digitalen „Matrix“ erweist sich letztlich als „Vergrößerungseffekt“, denn je nach Entfernung des Betrachterstandpunktes (oder je nach Wahl des Vergrößerungsmaßstabes) beginnt die digitale Struktur (die „Punkte“ sind in Wahrheit ja Rechtecke) zu oszillieren und zu einer Erscheinungsweise der „Unschärferelation“ des Sichtbaren zu werden. Der orthogonal strukturierte Raster löst sich bei Distanzvergrößerung (etwa durch den Betrachter) zunächst zu unscharfen und ausfransenden Punkten und schließlich zu unklaren Flächenstrukturen in Hell-Dunkel-Grauwerten auf. Gleichzeitig setzt sich dieses „Spiel“ mit hellen und dunklen Zonen im seriellen Tableau fort – ebenso wie die Anordnung der Photographien auch die Struktur der Striche (neben- und übereinander) wiederholt, sodass sich ein mehrschichtiger Rhythmus in axialer Ordnung ergibt. Da das Barytpapier nicht gepresst ist, „flattert“ es und erhält eine räumliche, objekthafte und dynamische Prägung, die – je nach Beleuchtungswinkel und Lichtintensität – zartgraue Schattenbilder wirft.