Mit der „Darstellung“ eines Totenkopfes und einer Geige konnotiert Edgar Sorgo gleichsam in doppeltem Sinne die „Fragwürdigkeit“ des Realitätsbegriffs. Einerseits rekurriert er auf das kunsthistorische Genre des Stilllebens, in dem er es als jenen Repräsentationsmodus zitiert, durch den die „Wirklichkeit“ der Objekte vor allem in ihrer sich selbst genügenden „Dinghaftigkeit“ und Gegenständlichkeit erfasst werden sollte, andererseits transformiert er mit dem Vanitas-Motiv als Ausdruck der Vergänglichkeit alles Seienden die zugrunde liegende Wirklichkeit bereits in das Fließen immanenter Veränderlichkeit. Was den Gegenständen und Phänomenen in ihrer Realität als innerstes Prinzip inhäriert, ist eben nicht ihre Solidität und Faktizität, ihre scheinbar „feste“ Materialität, sondern ihre unaufhörliche Veränderung, ihr ständiges Werden und Vergehen – kein Augenblick, in dem Dinge sind, was sie sind, keine Darstellung, kein Wort und kein Bild, die ausdrücken könnten, was ist und wie etwas ist. Letztlich durchläuft selbst der Wirklichkeitsbegriff metamorphotische Mutationen, er ist nicht zu fixieren und erweist sich strictu sensu als menschliches „Konstrukt“. Dieser Auflösung des „Realen“ wie auch des Wirklichkeitsbegriffs entspricht die Art der grafischen Darstellung – in der mehr oder minder starken Verdichtung der Lineaturen, mit denen die Sujets von Totenkopf und Geige „umrissen“ sind, manifestiert sich die physikalische „Unschärferelation“ (Werner Heißenberg) auf grafischer Ebene. Man könnte auch den Medientheoretiker Vilém Flusser zitieren: Wirklichkeit ist eine Frage der „Punktdichte“ der atomaren Materie innerhalb eines unendlich „leeren“ Raumes. Edgar Sorgo transformiert diese „Punktdichte“ in eine dynamische lineare Struktur – Realität wird zu einem Raumfeld (Feldtheorie) verschiedenster Wellen(-längen), deren graphische Visualisierungen und Übersetzungen sich im informationstheoretischen Zeitalter etwa als allgegenwärtige „Strichcodes“ manifestieren. Die fragwürdige und höchst fragile Wirklichkeitserscheinung der Dinge erweist sich als Unschärferelation des Beobachters, des Betrachters, der das Maß von Verdichtung und Auflösung selbst bestimmen kann – je nach Abstand zum RGB-Strichcode, mit dem Schädel- und Geigenmotiv in den additiven Farbcode transformiert wurden. Wie ein in vielfache Lineaturen parallelisiertes Elektroenzephalogramm (EEG) musikalischer Notationstechnik mutet die „1. SYMFONIE“ an – hier werden die Schallwellen in concreto in grafische Wellen übersetzt und auch zu einem dreidimensionalen Gebilde. Bereits die Konzeption des Titels mit dem mehrdeutigen Spiel der Buchstaben, Zahlen und Satzzeichen antizipiert in seiner Gestaltung den wellenartigen Verlauf der „grafischen Installation“. Die letztlich variable Reihung und Zusammenstellung der einzelnen Noten- Blätter sowie die eingefügte „Raumschleife“, die Rück- und Vorderseite sowie deren Richtung umkehrt und die die beidseitige „Be“-Zeichnung der jetzt nicht mehr nur als „Bild“ zu betrachtenden Installation evident werden lässt, entwickelt nun durch die versetzten Formate eine dynamische räumliche Struktur. Die musikalisch-grafischen Lineaturen werden derart zur variablen Rauminstallation.