Kathrin Marita Siegl

06769493774
Körblergasse 95/10
Austria-8010 Graz

Kathrin Marita Siegl geht den „Dingen“ und Phänomenen, so auch der Natur und dem Licht, mit Phantasie bzw. Vorstellungskraft entgegen oder vielleicht genauer gesagt, sie sieht diese Dinge mit Phantasie und versucht diese Phantasie in diesem Sehen (und Malen) zum Ausdruck zu bringen. Sie malt aber keineswegs im Sinne eines Phantastischen Realismus oder Surrealismus, auch wenn sie z. B. Hieronymus Bosch und den Surrealismus als Impulsgeber für sich betont. Von Albert Einstein ist ihr Motto und ihre malerische Motivation entlehnt: „Phantasie ist wichtiger als Wissen.“ Allerdings dürfen die Begriffe „Wissen“ und „Phantasie“ vor allem im Sinne Einsteins nicht als Gegensätze aufgefasst werden sondern eher als komplementäre Teile eines Wissens als Ganzes, also als Ergänzung des Wissens durch Phantasie. Phantasie ohne Wissen als Grundlage ist blind und Wissen ohne Phantasie ist leer (um in Anlehnung an Immanuel Kant zu sprechen – bei ihm hieß es, dass der Begriff ohne Anschauung leer sei und die Anschauung ohne den Begriff blind). Phantasie, Imagination und Vorstellungsvermögen müssen auf Wissen aufbauen bzw. in Wissen begründet sein! Um als Maler bzw. Malerin Phantasie und Imagination entwickeln zu können, muss zunächst also auch das Sehen geübt werden, denn im Grunde ist Sehen auch Wissen. So nahm Kathrin Marita Siegl den Aufenthalt in Stift Rein auch zum Anlass, die Natur zu „sehen“, d. h. um sie mit intensivierter Aufmerksamkeit wahrzunehmen. Reflektiert man die Wahrnehmungsvielfalt selbst, zeigt sich, dass auch diese phantasievoll ist, dass die Objekte und Phänomene nicht immer gleich erscheinen – als würden sie sich ständig verändern. Aber man kann mit Phantasie und Vorstellungsvermögen auch neue Wahrnehmungsergebnisse erzielen und die Gegenstände, etwa die Natureindrücke, neu arrangieren und zu neuen Einheiten kombinieren. Diesen Aspekt der Freiheit in der Wahrnehmungs- und malerischen Darstellungsphantasie versucht Kathrin Marita Siegl auch im Bild umzusetzen: Ausschnitte des in der Natur Gesehenen werden verschoben bzw. nebeneinander dargestellt, getrennt durch vertikale Bildschnitte, die die einzelnen Sequenzen markieren. So z. B. wenn sie nicht nur das im Bild darstellt, was „vor“ ihren Augen lag, sondern auch das, was sie durch eine Körperdrehung und damit eine Veränderung der Blickrichtung „hinter“ sich sehen konnte. Während man das vor einem Liegende und das im Rücken Befindliche nicht gleichzeitig, sondern nur sukzessive in einem Nacheinander wahrnehmen kann, erlaubt die malerische Repräsentation doch eine simultane Darstellung der ursprünglich asynchronen Eindrücke. Die Bilder zeigen also Kombinationen des aus verschiedenen Blickrichtungen Wahrgenommenen. Verstärkt wird die Differenziertheit dieser Sichtsequenzen teilweise durch den Wechsel zwischen naturalisierendem oder eher abstrahierendem Malduktus, um eben auch die unterschiedlichen Wahrnehmungsqualitäten und nicht nur die unterschiedlichen Ansichten zum Ausdruck zu bringen. Die Natur wird so zu einer mit Vorstellungskraft gesehenen und neu geformten. Diese Natur hinterließ im Falle der „Lichtfacetten“ auch selbst ihre durchaus phantasievollen Spuren in Form vertikal verlaufender Farbschlieren, die durch einen beginnenden Regen „gemalt“ wurden.