Möchte man auch nur annähernd verstehen, wer man ist, so findet man sich schnell in die jeweils eigene Vergangenheit und Geschichte geworfen. Immerhin ist das Hier und Jetzt immer bedingt durch den vorhergehenden Lebensverlauf. Unsere Vergangenheit ist jene Erinnerung, mit der wir ihre Spuren und Zeichen zu entziffern suchen. Sich auf „Spurensuche“ zu begeben und die gefundenen Spuren in ihrer Bedeutung neu zu interpretieren, ist aber letztlich immer ein aktiver Deutungsprozess aus der gegenwärtigen Situation heraus, d. h. Erinnerungen sind weniger einfache „Re- “Konstruktionen in Form exakter Kopien vergangener Ereignisse als vielmehr eigenständige Konstruktionen einer Vorstellung des Vergangenen. In diesem Sinne stellt sich Michi Schneider in seiner künstlerischen Spurensuche auch Fragen nach der Zuverlässigkeit der Erinnerungen. Er weiß, dass diese Erinnerungen oft mangelhaft bzw. fragmentarisch sind und Leerstellen aufweisen, er weiß, dass sie nur allzu oft „kleine Ausschnitte, die mit Leere umgeben“ (Michi Schneider) sind, repräsentieren. Diesen Umstand veranschaulicht er mit der Darstellung einer scheinbar völlig unspektakulären Erinnerungsszene, die von einer weißen Fläche umgeben ist – ein momenthaftes, kurzes Aufblitzen eines Erinnerungsfragments, das gleichsam in einem leeren Raum zu schweben scheint – als wären keine weiteren Bilder und Vorstellungen mit dieser einzelnen Sequenz verbunden. Was aber genügt wirklich an Spuren aus der Vergangenheit, um zur Erinnerung zu werden und in welcher Weise können diese auch adäquat (bildlich, sprachlich) dargestellt werden. Welche Zeichen genügen, um ein Erkennen zu ermöglichen? Würden kindlichen Erinnerungen nicht am ehesten auch kindliche Zeichenformen entsprechen, die mit einer gleichsam archaischmythischen Kraft die Spuren der Vergangenheit sowohl „sichern“ als auch evozieren? Dieser Gedanke findet sich in den „Verbrannten Erinnerungen“ durch die kindlich-einfache Darstellung eines brennenden Hauses angedeutet. Das wohl eindrucksvollste Beispiel einer künstlerischen Rekonstruktion der Vergangenheit als (scheinbar) „verlorener Zeit“ liegt in Marcel Prousts „A la recherche du temps perdu“ vor – und ähnlich wie Proust stützt sich Michi Schneider auf photographische Spuren als Erinnerungsstützen. Während die Photographien (wenn vorhanden) aber lediglich Anlass und Auslöser für Erinnerungen sind, erlaubt die malerisch-bildliche Repräsentation eine sowohl kognitive, emotionale wie auch bildlich-expressive „Verdichtung“ der Erinnerung – der malerische Prozess eröffnet den notwendigen Zeitraum für die Erinnerungen selbst. Während die Photographie in Wahrheit Zeitverkürzung ist, ist die Malerei hingegen eine Zeitverdichtung. Die Malerei ermöglicht in diesem Sinne eine Zusammenführung unterschiedlicher Szenen aus unterschiedlichen Zeiten und kann so zur Darstellung neuer Konstellationen, aber nunmehr in einem Bild verbundener Erinnerungen werden. Dies zeigt sich etwa, wenn verschiedene Bezugspersonen aus verschiedenen Lebensabschnitten im unvollständig rekonstruierten Elternhaus zu einem Gruppenbildnis vereinigt werden – Geschwister, Schulfreunde, die erste Liebe und auch mit einem Portrait jenes Mädchens, das jetzt im Elternhaus des Malers wohnt. Damit lässt Michi Schneider die Figuren seiner Vergangenheit mit einer von seiner Person unabhängigen Gegenwart zusammentreffen. Seine eigenen Erinnerungen vermischen sich mit der Gegenwart fremder Personen. Dass diese malerische Erinnerungsarbeit ihren emotionalen Grund in der Biographie des Künstlers hat, kommt nicht zuletzt in der beinahe vollkommenen Dunkelheit des Bildraumes, in dem sich die „Spielenden“ vereinigt finden und in der Aufschrift des T-Shirts zum Ausdruck – ebenso wie in der Mehrdeutigkeit des Titels „Spielende“ bereits das Ende des „Spiels“ mit angedeutet ist.