Tanja Prusnik

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Tanja Prušnik erweitert ihren malerischen Ansatz durch dessen Transformation und Integration in architektonische Konstruktionen. Zunächst überschreitet sie bereits im Malprozess selbst die „Grenzen“ des Bildlichen, indem sich die „Malspuren“ nicht auf die klassische Bildebene beschränken, sondern auch die Seitenflächen der Rahmung mit einbeziehen und zum räumlichen Bildkörper werden lassen. Die zweidimensionale Bildfläche wird dadurch zu einem dreidimensionalen Raumobjekt, dessen bemalte Oberflächenteile sich vervielfachen und bereits hier auch einen ständigen Blick- bzw. Standpunktwechsel des Rezipienten einfordern. Damit bricht sie mit dem seit der Renaissance geltenden Prinzip eines zentralen und privilegierten Standpunkts, d. h. mit dem Dispositiv, dass es nur einen einzigen Punkt gibt, von dem aus das Bild „korrekt“ erscheint. Dieser Aspekt der Vervielfachung der möglichen Ansichten und damit auch „Erscheinungsweisen“ des Gemalten konstituiert aber nicht nur die möglichen Formen des Sichtbaren und Unsichtbaren (entsprechend des jeweiligen „Beobachterstandpunktes“), sondern kehrt auch im Prinzip der Serie wieder. Obwohl jedes der oft kleinformatigen Bild-„Objekte“ auch für sich stehen könnte, ist doch jedes gleichzeitig auch Teil einer Serie, die schließlich immer auch neue Kombinationsmöglichkeiten mit sich bringt. Im Vordergrund steht allerdings die Betonung des Prozessualen – nicht das fertige „Produkt“ steht im Mittelpunkt, sondern der handwerklich-malerische Prozess, der zur bewussten „Erfahrung“ wird und sich in jedem weiteren Bild der Serie als Voraussetzung des jeweils nächstfolgenden Bildes integriert findet. Dem entsprechend legt die Künstlerin Wert auf die „eigenhändige“ Bespannung der Bildrahmen – bereits dieser Handwerks-Prozess soll Teil der künstlerischen Erfahrung sein. Derart bleibt jedes einzelne Bildformat ein Besonderes – von der technischen Herstellung bis zur Bemalung in schnell geführten Spachtelaufträgen. In den vorliegenden Arbeiten dominieren farblich drei (symbolische) Grün- bis Brauntöne, die die natürlichen Farben der Natur um Stift Rein annotieren. Signifikant ist, dass die Künstlerin jede Farbmischung vermeidet, indem sie zwischen den einzelnen Malschritten genügend Austrocknungszeit lässt. Man kann auch sagen, dass sie durch diese „Verzögerungssequenzen“ immer wieder „Abstand“ zu einzelnen Stadien des Malprozesses gewinnt – ein zeitlicher „Abstand“, der auch für sie neue Sichtweisen auf vergangene „Malspuren“ ermöglicht. Die Überschreitung der „Bildformate“ in das Objektuale wird in Form der Bild- Stelen als säulenartige Architekturgebilde „aus“ Bildern fortgesetzt. Diese architektonische Anordnung zwingt den Rezipienten gleichsam dazu, verschiedenste Blickwinkel einzunehmen. Der Betrachter bzw. die Betrachterin müssen aktiv werden, um die verschiedenen Ansichtsmöglichkeiten auszuloten und um jeweils das von einem bestimmten Blickwinkel aus „Verborgene“ im wahrsten Sinne des Wortes zu „ersehen“. Diese Bildarchitekturen zwingen gleichsam dazu, auch die Rückseite der Bilder zu beachten bzw. zwischen den einzelnen Bildschichten hindurchzusehen und im Falle der Malerei auf Acryl-Glas ergeben sich auch Effekte der simultanen optischen „Überblendung“ mehrerer Bildschichten. Tanja Prušnik inszeniert mit ihren Bildarchitekturen eine beinahe unendliche Variabilität der Erscheinungsweisen ihrer Bildobjekte – jeder Betrachter muss sich so eine eigene Wahrnehmungs- und davon abhängige Erscheinungsform „erarbeiten“. In dieser Vervielfachung und Variabilität der möglichen Bildansichten erweist sich die „Relativität“ des Sichtbaren, das eben immer nur „in Relation“ zu einem „Beobachter“ erscheint. Alles mit einem Blick zu sehen, bleibt eine Utopie, aber man kann vieles sehen …