Die Arbeiten Brigitte Pfaffenbergers laden zu einer Reflexion und Analyse des Phänomens bildlicher Gestaltung ein. Die fundamentalen Elemente des Bildlichen bestehen ja primär in jenen einer Fläche (einer zweidimensionalen Ebene), auf die Linien und Farben aufgetragen werden können. In einer mittlerweile bereits „klassischen“ Definition der Bestimmungsmerkmale der Malerei fasste dies der französische Maler und Kunstkritiker Maurice Denis im Rückgriff auf eine Definition von Eugène Delacroix folgendermaßen zusammen: „Malerei ist eine zweidimensionale Ebene mit Farben und Linien in einer bestimmten Anordnung, bevor sie etwas Bestimmtes darstellt.“ Die durchaus revolutionäre Intention einer derartigen Definition lag vor allem darin, die malerisch-bildliche Gestaltung aus dem „Zwang“ zur „naturgetreuen“ bzw. gegenständlich- illusionären Darstellung zu befreien und auch neue Möglichkeiten zuzulassen. Die damalige Avantgarde der (Neo-) Impressionisten wurde von der traditionellen Kritik im wahrsten Sinne des Wortes mit Schimpf und Schande aus den Pariser Ausstellungssalons vertrieben, weil sie die Darstellungskonventionen durchbrochen hatten und neue malerisch-formale Akzente setzten, die primär die Art und Weise des malerischen Duktus betrafen. Gestaltungs- und Ausdrucksformen der Flächenbehandlung, Farbqualitäten und Linienführungen traten in den Vordergrund des künstlerischen Interesses, kurz: Man entdeckte die ästhetischen „Eigenwerte“ der formalen und materiellen Elemente der Malerei. In diese Tradition der sog. „Emanzipation“ der malerisch-grafischen „Mittel“ sind auch die Bildformen Brigitte Pfaffenbergers einzuordnen – es geht ihr primär um die „Entdeckung“ und „Erforschung“ der ästhetischen Eigenwerte der formalen und materiellen Elemente für die Bildgestaltung. So treten etwa das Material „Papier“ in seinen verschiedensten Qualitäten sowie die Formenpotentiale der Linien und Farben in den Mittelpunkt ihrer teilweise „meditativ“ zu nennenden Vorgehensweise, um so schließlich erweiterte Wahrnehmungen dieser Elemente zu ermöglichen. Ihre künstlerische Arbeit zeigt während der letzten Jahrzehnte eine dominierende Orientierung an grafisch-zeichnerischen Ausdrucksmöglichkeiten – sie ist vom Phänomen „Linie“ fasziniert. Hinzu kommt in den hier gezeigten Arbeiten aber auch eine besondere Beachtung der jeweiligen materiellen Qualitäten des „Trägermaterials“: kein Papier ist lediglich Papier, keine Linie existiert im „luftleeren“, immateriellen Raum! Vor allem grob strukturiertes Papier wie z. B. Japanpapier, das durch stärkere Holzfasern durchzogen ist, entwickelt gleichsam „aus sich heraus“ eigene Gestaltungsmöglichkeiten. In diesem Sinne lässt Brigitte Pfaffenberger etwa in den Arbeiten zur Serie „Papercode“, die auch eine in Bejing prämierte, aber etwas überarbeitete Fassung zeigt, den Verlauf der Linien durch die Faserstruktur des Papiers bestimmen. Der Linienduktus „zwingt“ sich nicht dem Papier auf, sondern wird im Gegenteil durch das materielle „Eigenleben“ des Papiers geleitet, um aus dem mimetischen Nachvollzug zufälliger Strukturen eine rhizomatische, unendlich ineinander verflochtene Textur beinahe kalligraphischer Art zu ergeben. Die Plastizität des Papiers gibt auch die „Körperlichkeit“ der Linien vor – verstärkt durch die monochrome Farbgebung in einem intensiven Rot, das das Liniengewebe optisch hervortreten lässt. Noch deutlicher wird diese „Materialisierung“ des Phänomens der Linie in Form der einzelnen Knäuel aus Papierschlangen, Schnüren oder Holzfasern – hier wird das Liniengewebe zur eigenständigen Skulptur, sodass die Eindimensionalität des Linearen in eine räumliche und damit dreidimensionale Erscheinungsform transformiert wird. Der entscheidende Aspekt der Arbeiten Brigitte Pfaffenbergers liegt sicherlich darin, das „Material“ selbst „zur Sprache“ kommen zu lassen – entweder indem sich aus den materiellen Gegebenheiten eigene Formen entwickeln oder indem scheinbar rein formale Entitäten wie die „Linie“ in eine notwendige Materialität überführt werden.