Nikolaus Lapuch

Nikolaus Lapuchs künstlerische Arbeit ist von einem starken Interesse an philosophischen und naturwissenschaftlichen Theorien und Phänomenen geleitet – dabei geht es aber keinesfalls darum, philosophische oder wissenschaftliche „Erkenntnisse“ einfach bildlich darzustellen, also eine mehr oder minder „korrekte“ Verbildlichung zu leisten als vielmehr darum, derartige Phänomene als Anlass und Inspiration für seine künstlerische Formensuche zu verwenden. Im Mittelpunkt steht also primär ein transformativer Prozess, aus dem sich „Formelemente“ herauskristallisieren und die schließlich zu visuellen „Mustern“ führen, die gleichsam verborgene „Codes“ der jeweiligen Phänomene zeigen – etwa die „Gestalt“-Prinzipien von Algen bzw. Algenkolonien. Die sich daraus ergebende Formensprache reicht dabei von figurativen bis zu vollkommen abstrakten „Notationen“, die eher wie „Notenschriften“, Organigramme oder Diagramme wirken. Der Arbeit „Okular“ liegen Algenproben aus einem Tümpel um Stift Rein zugrunde, deren mikroskopische Analyse erstaunliche geometrische Muster der verschiedensten Algenarten zum Vorschein brachte – als wären derart „einfache“ Organismen tatsächlich „Übergangsphänomene“ zwischen mineralischen Kristallisationen und biomorphen Lebensformen. Unwillkürlich fühlt man sich an frühgriechische naturphilosophische Theorien erinnert, in denen etwa den vier Elementen Feuer, Erde, Wasser und Luft auch geometrische Figuren zugeordnet worden waren – als wäre die Geometrie der wahre „Code“, die wahre „Sprache“ der Natur, des Unbelebten wie auch des Belebten. Diese Ansicht setzte sich im Grunde ja auch in der europäischen Tradition, vor allem in jener der Naturwissenschaften, fort – etwa wenn Galileo Galilei in seinen Briefen an Fortunato Liceti festhält, dass das „Buch der Natur“ in „geometrischen Figuren, in Kreisen und Kegeln …“ geschrieben sei. Aber nicht nur die einzelne Algenzelle, sondern auch in „Kolonie“-Form zeigen sich Algen in geometrischen Grundformen, die vor dem Hintergrund der Matrizen, die der Künstler als „Hilfslinien“ verwendete, umso stärker zum Ausdruck kommt. Der Zellenverbund der Algen wurde von Nikolaus Lapuch in Punktform aufgezeichnet und ergibt – insbesondere als Einheit mit den vertikalen Lineaturen – beinahe eine Art melodischer Notenschrift als Ordnungsstruktur, als würden hier musikalische oder mathematische Gesetzmäßigkeiten gelten. Welche scheinbar „durchkalkulierten“ Ordnungsstrukturen sich aber schon auf der Grundlage aleatorischer Verteilungen ergeben können, zeigt die Arbeit „Das Reich endet nie“, in der sich der Künstler mit dem Phänomen der Evolution bzw. mit Prinzipien der Evolutionstheorie (z. B. dem Prinzip der zufälligen Mutation) auseinandersetzt. Die abgebildeten Muster repräsentieren „zufällige“ Würfelergebnisse, die der Künstler nach einer bestimmten Regel verteilt. Daraus ergeben sich gleichsam „Verteilungsbäume“ bzw. rhizomartige Geflechte der Zahlen- bzw. Punktekombinationen, die letztlich in ein „unendliches Reich“ der möglichen Verteilungen und Kombinationen führen. Dieses „Spiel“ des Zufalls (deshalb gibt es nicht zufällig (!) die „Spieltheorie“) verbirgt aber die Antwort auf die Frage nach dem möglichen Telos (Ziel) bzw. „Sinn“ dieses evolutionären Mechanismus und es stellt sich die durchaus metaphysische Frage, ob eine auf Zufällen gründende „Entwicklung“ überhaupt einen „Sinn“ – und wenn, welchen – haben könnte. Aber die künstlerischen „Visualisierunertlgen“ zeigen den „ästhetischen“ Sinn scheinbar abstrakter Begriffe und Relationen, der durch den spezifischen „Stil“ des Künstlers verstärkt wird: Er „bemalt“ die Trägerfläche nicht nur, sondern entweder wird die Trägerfläche „gelocht“ und mit Farbe gefüllt oder die Farbe wird beinahe reliefartig zur Zeichnung der Konturen gebraucht. Das Bild wird in diesem Sinne zur Plastik, sodass vor allem die graphischen Elemente an haptischer Sinnlichkeit gewinnen.