Das Medium der Photographie gilt weithin als Darstellungsmittel der Wirklichkeit, das sog. „Reale“ scheint die stillschweigend vorausgesetzte Referenz zu sein, auch wenn es im Zeitalter der digitalen Photographie bereits mehr als fraglich ist, was hier eigentlich noch als das Reale gelten kann. Zumindest im Zeitalter der analogen Photographie fungierte sie nicht selten als so genannte„Matrix des Realen“. Die Gegenstände und Phänomene hinterließen immerhin ihre Lichtspuren am Filmmaterial und „(be-)zeichneten“ sich damit gleichsam selbst. Man erinnere sich nur der Formulierung eines der Erfinder der Photographie, der sie als „Pinsel der Natur“ (H. Fox Talbot: The pencil of nature“) beschrieb und der damit den Anspruch der Photographie auf eine „objektive“ (vom Menschen unbeeinflusste) Darstellung der Wirklichkeit zum Ausdruck brachte. Dass die „Spuren“ des Realen mittlerweile das Reale substituieren und verdrängen, ist nur die logische Konsequenz der vermeintlichen „Wirklichkeitsmächtigkeit“ der technischen „Kopierapparate“. In Wahrheit zeigt sich eben auch in den noch so perfekten Technologien der Visualisierung nur ein Schein, ein Erscheinen als „phaenomenon“ im ursprünglichen Wortsinne – aber nicht als Offenbares, als Unverborgenes (a-letheia) sondern lediglich als „Aspekt“, als momenthafte, partikulare und fragmentarische Sichtweise. Der vermeintliche Realismus der Photographie ist nichts als eine Illusion, die unserer Wahrnehmungsillusion ähnlich, aber nicht gleich ist. Dennoch bleibt Frater Martin in seiner photographischen Technik bewusst im Rahmen der klassischen Photographie. Er versucht die „mimetologische“ (Philippe Lacoue-Labarthes) Abbildlichkeit der Photographie gleichsam durch ihre eigenen Möglichkeiten zu relativieren – entweder durch die Wahl der optischen Perspektive, der Lichteffekte oder durch die Konzentration auf einzelne Sujets, die durch die explizite Hervorhebung gegenüber der alltäglichen Wahrnehmung eine neue ästhetische Wertigkeit erhalten. Mit diesen einfachen photographischen Techniken gelingt eine Transposition der „Dinge“ in das Symbolische – das Reale wird symbolisch und verweist über sich selbst hinaus – als würde es nun den metaphysisch-transzendenten Grund seines Seins konnotieren. Hier könnte man vielleicht die metaphysischste aller Fragen zitieren, die der Barockphilosoph G. W. Leibniz aufwarf: Warum überhaupt etwas ist und nicht vielmehr nichts. Eine Fragestellung, der selbst M. Heidegger die Antwort schuldig bleiben musste. Das zeitlose Motiv eines Weges, der sich in einzelnen Bildsequenzen mit unterschiedlichen Bildausschnitten im beunruhigenden Dunkel „verliert“, ein schillernder Lichtglanz der seit Jahrzehnten durch den „Gang der Menschen“ geschliffenen Bodensteine, eine ins Unendliche verlaufende Linie – einfache und bekannte Motive, die aber den Rezipienten immer wieder auf die existenziellen Grundfragen des Lebens verweisen. Kleine Irritationen in der Bildtektonik der Ausschnitte, der Farbgebung (Farbfilter) oder des perspektivischen Konvergenzpunktes sollen im Betrachter bzw. der Betrachterin darüber hinaus zu einer gewissen „Unruhe“ führen – eine Unruhe, die allein deshalb entsteht, weil die photographischen Sequenzen sich nicht selbst genügen und nicht nur als ästhetische Phänomene gelten wollen, sondern in Fragen münden, die unter Umständen nicht zu beantworten sind. Die Photographien Frater Martin Höflers zeigen mitunter einen unvermuteten Effekt – sie werfen den Blick des Betrachters auf ihn selbst zurück, sie sind kein „Spiegelbild“ des phänomenalen Außen sondern eines unsichtbaren Innen.