„Raum und Bewegung“ stellen die zentrale Thematik der malerischen Arbeit von Angela Flois dar. Ist der „Raum“ lediglich eine Art „Gefäß“, in dem sich die Bewegung der Körper vollzieht, oder ist er nicht vielleicht das, was sich erst durch Bewegung konstituiert und erfahren lässt? Folgt man den entwicklungspsychologischen Untersuchungen, so ergibt sich, dass sich die Raumwahrnehmung primär auf die Eigenmobilität der Körperbewegung bezieht und in diesem Sinne ein Produkt der Relation zwischen sich Bewegendem darstellt. Für die menschliche Raumkonstitution gilt: Wenn es keine Bewegung gibt, so gibt es auch keinen Raum! Der Raum bzw. die Raumwahrnehmung ist nur als Relationsphänomen erklärbar. Die Differenz zwischen diesen beiden Konzeptionen des Raumes – einmal als vorgegebener, starrer „Kubus“ und auf der anderen Seite als „Effekt“ der Bewegung – ist fundamental und determiniert den Unterschied zwischen einem „absoluten“ (Isaac Newton) und „relationalen“ (Leibniz) bzw. „relativen“ Raumkonzept (Einstein). Um es auf den Punkt zu bringen: Gemäß der Einstein’schen Relativitätstheorie wird jede Raumvorstellung durch die Relation zwischen Bewegungen konstituiert. Der Begriff der „Raumvorstellung“ ist bewusst gewählt. Schon in der Transzendentalphilosophie Kants fungieren Raum und Zeit als Apriori-Kategorien der Anschauung bzw. Vorstellung und für Einstein sind „Raum und Zeit eine hartnäckige Illusion“ (Einstein in einem Brief aus dem Jahre 1955). Für die Malerei, deren primäre Definition ja darin zu sehen ist, aus „Farben und Linien in einer bestimmten Anordnung auf einer zweidimensionalen Fläche“ (Maurice Denis) zu bestehen, stellt sich die Frage des Raumes immer als illusionäres „Erscheinungsphänomen“ auf einer Fläche. Neben den Möglichkeiten der projektiven Raumkonstruktion (zum Beispiel durch die geometrische Zentralperspektive) gibt es noch jene, eine Raumsuggestion rein aus formalen Elementen, d. h. aus Formen, Farben und Linien entstehen zu lassen. Angela Flois versucht in diesem Sinne Räumlichkeit durch formale Mittel zu erreichen. Von dem eigentlich statisch-ruhenden Bildformat des Quadrats ausgehend, setzt sie diesem zunächst die dynamischere Grundform des Ovals entgegen. Im Gegensatz zur gewohnten Beschränkung auf die Skala der Primärfarben erweitert sie in den vorliegenden Arbeiten (angeregt durch die chromatische Vielfalt der Basilika des Stiftes) die Palette der verwendeten Farben auch durch die Sekundärfarben. Entscheidend aber ist der graphisch-lineare Farbauftrag – erst dadurch beginnen sich die Flächen in Bewegung zu setzen und einen Raumeindruck zu evozieren. Dabei bewegen sie sich um kleinere, gelbe „Zentren“, die den chromatischen Bewegungsraum durchbrechen und offen halten. In der Portraitserie wird der expressive Charakter des Malgestus ebenfalls durch den schnellen, pastosen, am Strich orientierten Formwillen und vor allem auch durch die kleinformatige Fläche erreicht – derart konzentriert sich alles ohne überflüssige „Dekoration“ auf die für die Empfindung der Malerin charakteristischen „Spuren“ in den Gesichtern – Zeichen, die das Leben setzte und die das Leben in die Gesichter einprägte.