Iris Dostal nutzte die Gelegenheit, die ihr die Waldlandschaft um Stift Rein bot, und sie tauschte den traditionellen Atelierraum mit einem Stück Wald. Vor allem die Frage, wie die Informationen, die sie durch die Konfrontation mit einer ungewohnten Umgebung aufnahm, im Erfahrungs- und Umsetzungsprozess zu neuen Formen und Gestaltungen sowohl auf malerischer wie auch auf nicht-malerischer Ebene führen könnten, stand für sie im Mittelpunkt. Hier wird ein besonderes Merkmal des künstlerischen Ansatzes von Iris Dostal evident – es geht ihr weniger um das Endprodukt als vielmehr um den Arbeitsprozess, um die experimentelle Interaktion selbst. Der Gestaltungsprozess ist die experimentelle Erfahrung bzw. die experimentelle Erfahrung ist bereits künstlerische Aussage. Das Atelier – in welcher Form auch immer – ist für sie ein Labor, das zur Erweiterung der Formensprache dient und in dem Versuchsanordnungen entstehen, die dokumentiert, weiterverarbeitet, fixiert und wieder verworfen werden. Ein zentrales Moment ist dabei die Bedeutung des Begriffs des „Tauschens“ im Sinne des Austauschs, aber auch der Wandlung und Umwandlung bzw. des Spiegelaspekts. Auf sprachlicher Ebene genügen bereits kleinste Unterschiede, um völlig neue Bedeutungen entstehen zu lassen.
So tauscht sie auch die primär visuelle Qualität des klassischen Tafelbildes mit der räumlichen und haptischen Qualität einer mit den Baumstämmen verspannten Leinwand – die Leinwand ist nicht länger nur ein Bildträger, sondern sie wird zur Installation. Gleichzeitig erfolgt dadurch ein verstärktes Sichtbarmachen des Waldes an sich, eine Bewusstmachung dessen, was da ist. Für Iris Dostal ergeben sich die Kraft und Wirkung eines Bildes nicht allein aus dem Darstellungsprinzip, sondern vielmehr aus den fundamentalen Elementen der Fläche, Farbe, der Formensprache und auch der Materialität einer Leinwand selbst. Als Teil einer umfassenderen Arbeit fungiert die Installation einerseits als eigenständige Arbeit und andererseits als Setting für weitere Arbeiten – Photographien, Pigmentdrucke, eine neue Rauminstallation. Die bemalte Fläche der Leinwand blieb ungrundiert, so dass die Farbe durchschimmerte und die Leinwand auf beiden Seiten lesbar wurde – die Leinwand wurde zu einer Membran mit Spiegelaspekten. Kunst reduziert sich nicht mehr auf eine reine Darstellungs- und Repräsentationsfunktion, vor allem nicht bei Iris Dostal, sondern ist eine Art des Erfahrens und Erfahrbar-Machens nonverbaler Wahrnehmungen.
Zwischen den Formen und Farben der Installation und der Waldumgebung kam es zu teilweise überraschenden Korrespondenzen bzw. Interferenzen. So wirkten Teile der Bemalung – je nach Blickwinkel und Lichteinfall – wie Schatten der Baumstämme oder umgekehrt die Schattenfärbung eines Baumstammes bzw. die Farbe des Mooses schien mit der bemalten Fläche farblich zu verschmelzen.
Auch in den Papier-Arbeiten steht der experimentelle Umgang im Vordergrund. Hier wird von der Polarität geometrischer Formen und dem weichen Fließen der Farben ausgegangen. Aus diesem „Widerspiel“ der jeweils spezifischen Qualitäten entwickeln sich mehrschichtige Gestaltungsformen, die immer wieder neue Beziehungen zwischen scheinbar gegensätzlichen formalen Elementen konstituieren: Linie und Fläche, Gerades und Ungerades, geometrische Strenge und farbliches Fließen, Fläche und Gegenständlichkeit, Bewusstes und Unbewusstes – letztlich geht es um die experimentelle Formfindung nonverbaler Ausdrucksqualitäten.