Die malerisch-graphischen Bildwelten Joo Hee Chuns eröffnen einen Kosmos von beinahe archaisch wirkenden Farb- und Linienkompositionen – als wären es Kryptogramme einer in tiefen Schichten des Unbewussten, aber auch des Bewusstseins wirkenden Energie, die sich schließlich im Gestaltungsakt zu entfalten beginnt. „I am concerned with the representation of the inner world. My pieces are about the spiritual, physical and literal containment of improvisational moments of creation“, erklärt die Künstlerin. Schicht um Schicht entwickeln sich die meist gedämpften Farbräume, die langsam aus Transparent-Acryl „modelliert“ werden, sodass das Farbmaterial selbst zwar flache, aber doch sichtbare reliefartige, plastische Strukturen bildet. Je nach Schichtstärke und Farblichkeit ergibt sich für den Betrachter bzw. die Betrachterin der Eindruck der Transparenz oder des „Verbergens“ tiefer liegender Schichten – derart „schimmern“ mitunter auch dunklere Farbtöne aus der „Tiefe“ der Acrylschichten – als wollte die Künstlerin unangenehme Empfindungsspuren „übermalen“. Feinste graphische Lineaturen legen sich zwischen, auf oder unter die tachistischen Farbflächen, die in Wahrheit ja Farb-Räume sind, öffnen und umschließen diese manchmal glasartig wirkenden Farbaufträge. „I am engrossed in the creation of tension between the lines and space of colours. The delicate lines block the overflowing, transparent, medium colours“, schreibt Joo Hee Chun dazu. In den Arbeiten „Mindscape“ und „Miracle“ findet sich die Farbgebung des Bildgrundes beinahe bis zum völligen chromatischen „Erlöschen“ reduziert – was bleibt ist eine weitgehend transparente, kaum wahrnehmbare Grundtönung, die die Bildfläche in einen optischen „Schwebezustand“ zu versetzen scheint. Diese transparente „Grundierung“ wird durch eine feingliedrige, oft kristallin wirkende Linienschrift strukturiert, die hier ebenfalls in mehreren Schichten aufgetragen wurde und sich deshalb farblich intensiviert oder abschwächt. Die über das gesamte Bildformat verteilten Lineaturen verdichten sich an zahlreichen Stellen, lockern sich und verbinden sich mit weiteren graphisch-figurativen Elementen, um beinahe wie eine kartographisch wirkende Aufzeichnung psychisch-mentaler Prozesse zu wirken – gleichsam eine „mental map“, ein graphisches Psychogramm ihres Ich, ihrer Gedanken und Empfindungen. „By following my intuition, the composition evolving as a continuous process as a metaphor for layers of personality, and inner emotions, secrets and tensions. I attempts to harness the inner movement of life, which is inspired by the realm of nature, in order to create images from the inner world, that lie somewhere between creation and existence.“ Bemerkenswert ist in den vorliegenden Arbeiten, wie sehr das Malerische gegenüber dem Graphischen reduziert wurde – vor allem weil ja der flächige Farbauftrag selbst beinahe vollkommen transparent gestaltet ist. Das graphisch-lineare Prinzip wird zur Dominante des Gestaltens, sodass das Bild im wahrsten Sinne des Wortes das Bild einer „Schrift“ ergibt. Das „Bildliche“ wird aus dem Skripturalen heraus „ge-bildet“. Einmal mehr erweist sich, dass jede Schrift auch ein Bild ist und dass jedes Bild eine Art Schrift ist. Auch wenn Joo Hee Chun sich nicht ausdrücklich auf die asiatische Tradition der Kalligraphie als Inspirationsquelle ihrer Schrift-Bilder bezieht, liegt hier doch eine analoge Konzeption des Verhältnisses von Bild und Schrift zugrunde – Schrift eben auch als Malerei zu sehen bzw. zu empfinden. Der Duktus ihrer „Schriftzeichen“ folgt ihrer augenblicklichen Inspiration während des „Schreibens“. Joo Hee Chun ist überzeugt, dass auch der Betrachter diese Schrift lesen und verstehen könne. Zumindest aber kann der Betrachter darin die „Poesie“ der Linie, des Graphischen im Allgemeinen verspüren – immerhin wirken diese Arbeiten wie abstrakte, beinahe lyrische Kompositionen. Gäbe es nicht schon den kunsthistorischen Begriff der „lyrischen Abstraktion“ – man müsste ihn für diese Arbeiten neu erfinden!