Die Künstlerin Anna Baumann geht dem Thema der diesjährigen KünstlerInnen-Klausur durchaus mit ironischer „Radikalität“ nach. Angesichts technischer, medizinischer und informationstechnologischer Versuche (Prothetik, Robotik, Gentechnologie, Transplantationschirurgie, KI etc.), den „biologischen“ Menschen zu verändern und zu verbessern (?!), stellt sie die grundlegende Frage nach dem „Maß des Menschen“ – eine Frage, die in Form eines „Selbstportraits“ nicht schonungsloser gestellt werden könnte. Wer (oder was) bin ich? Eine der wirkungsmächtigsten Metaphern dieser Frage ist jener berühmte „Blick in den Spiegel“, der zeigen soll, wer sich hierbei tatsächlich selbst begegnet und „erkennen“ kann. Ohne hier die europäisch-abendländische Tradition der „Selbsterkenntnis“ und des „Selbstportraits“ analysieren zu können, zeigt sich schlussendlich eine überraschende „Verschiebung“ der Problematik: Wer oder was im jeweiligen „Spiegel“ zu sehen ist, ist grundsätzlich von der Art des Spiegels abhängig und einer dieser „Spiegel“ ist das wissenschaftliche „Spiegelbild“ des Menschen, d. h. der auf naturwissenschaftliche (z. B. chemisch-physikalische) Parameter reduzierte Mensch. Man darf nicht vergessen, dass auch das durch die moderne Wissenschaft „geschaffene“ Bild des Menschen nur eine „Ansicht“ aus einer bestimmten Perspektive darstellt und dass das „Ergebnis“ weitgehend davon abhängt, welche „Messgeräte“ verwendet werden. In diesem Sinne greift die Künstlerin das chemisch-physikalische „Maß“ des Menschen auf, indem sie die hydrochemische Konstitution ihrer Person in eine sinnbildliche Installation transformiert. Ausgehend vom Prinzip, dass der menschliche Organismus aus ca. 70% Wasser besteht, errechnete sie zunächst die ihrem Körpergewicht entsprechende Wassermenge und dafür schließlich das notwendige Raumvolumen. Der Wasseranteil des „Wesens“ der Künstlerin passt schlussendlich in eine kleine Kiste von 50 x 60,5 x 10 cm, d.h. er beträgt 30,25 Kubikdezimeter. Eine kleine Kiste mit 30,25 l Wasser fungiert als chemisch-physikalisches Selbstportrait nach den Maßstäben der Naturwissenschaft. Dieses „Spiegelbild“ des wissenschaftlichen Maßes des Menschen stellt die Frage nach dem Wesen des Menschen wohl im wahrsten Sinne des Wortes vom Kopf auf die Füße einer nüchternen Realität. Auch in der sehr schlichten, aber umso prägnanteren Arbeit „Ableger“ bringt die Künstlerin die Thematik in „kühler“ Ironie – zwischen Horror und Witz – auf den Punkt: Ein Kunststoff-Double ihrer Hand findet sich in einen Blumentopf gepflanzt, zwei davon abgetrennte Finger ragen „nachwachsend“ aus einem weiteren Blumentopf hervor. „Spielt“ die Künstlerin hier mit Assoziationen hinsichtlich der medizinisch-technischen Möglichkeiten und Praktiken, den Menschen chirurgisch zu zerteilen, zusammenzusetzen und „neu“ zu formen? Ganz zu schweigen von den Versuchen, aus Stammzellen die verschiedensten Organe in „Reagenzgläsern“ nachwachsen zu lassen oder von den Möglichkeiten des Klonens und des gentechnisch „designten“ Menschen – Frankenstein allüberall!