Die Künstlerin Artemis Athenaïs knüpft thematisch an die durchaus hypertroph anmutende Idee an, den Menschen durch den Menschen selbst zu erschaffen – ein „Phantasma“, das tatsächlich bereits in der jüdischen Tradition des „Golem“ entsteht und das für die abendländische Kultur (und Wissenschaft) prägend wurde. So taucht etwa die „Idee“, durch „medizinisches“ Wissen nicht nur Krankheiten zu heilen, sondern auch „erschaffen“ zu können, sogar in der Humoralpathologie von Paracelsus auf, der in gottähnlichem Selbstvertrauen äußerte, dass er, gäbe man ihm nur die notwendigen „Zutaten“, daraus einen Menschen erschaffen könne. Hatte Paracelsus diese Überzeugung noch in der Tradition der Elementen und Säftelehre als Analogie zwischen Makro- und Mikrokosmos verfolgt, die schließlich in die Alchemie führte, so entstand seit der Renaissance aber auch das so genannte „mechanistische Zeitalter“, das die folgenden Jahrhunderte bis heute in seinen Grundzügen und „archetypischsten“ Phantasmagorien bestimmt. Ausgehend von der revolutionären Entwicklung der ersten mechanischen Uhren, deren umwälzende Neuerung darin bestand, nach dem Prinzip von Zahnrad (digitale Steuerung der Kraftübertragung!) und Feder (Speicherung von Energie in Form von Spannung!) einen einmal in Gang gesetzten Prozess erstmals „automatisch“ ablaufen zu lassen, faszinierte dieser Mechanismus das Denken des 16. und 17. Jahrhunderts derart, dass praktisch alle Vorgänge – ob natürliche oder künstliche – nach diesem Modell erklärt wurden. So wurde sogar „Gott“ vom wichtigsten Philosophen des Rationalismus, René Descartes, als „Uhrmacher“ betrachtet, der auch das Universum nach dem Prinzip der mechanischen Uhr geschaffen habe. In dieser Denktradition wurde die Mechanik zum Schlüssel des Weltverstehens. Die abendländischen „Selbsterschaffungsphantasien“ wurden also entweder als „chemisches Gebräu“ oder als mechanistisch-physikalisches „Automatenkonstrukt“ (z. B. von LaMettries „Schachspieler“ über Frankenstein bis hin zum „Terminator“) umgesetzt. Man denke etwa nur an E. T. A. Hoffmanns Automaten-Puppe „Olympia“ – an seinen Automaten-Phantasien werden ja auch all die verborgenen sexuellen Konnotationen ersichtlich, die damit einhergehen! Die Künstlerin greift diese „Ideen“ der Erschaffung des Menschen durch den Menschen auf und paraphrasiert u. a. die Frage der mechanischen „Norm“, denen die neu geschaffenen Körperformen unterliegen. So geht sie auch in ihrer künstlerischen Erschaffung der Homunkuli mechanisch-experimentell vor, wenn sie die Schädelformen durch Hammerschläge erreicht oder die Homunkuli-Klumpen gegen Mauern schleudert, um ihre „mechanische“ Form zu erreichen. Wer (wird) über die „richtige“ Norm entscheiden und die gelungenen „Experimente“ von jenen trennen, die als „deviant“ gelten? Jedenfalls steht der menschliche Körper zwischen experimenteller Verformung und Maximierung, zwischen Selektion und serieller Fertigung in Frage. Aber auch sie selbst muss technisch und mechanisch vorgehen oder sich wissenschaftlicher Instrumente bedienen – z. B. mit Pipette und Spritze arbeiten, um „Exit humanity“ zu „inszenieren“. Die gelungenen oder „misslungenen“ Experimente der Köperformungen können aber in Gläsern mit Konservierungsflüssigkeit gesammelt und ausgestellt werden – eben wie jene naturwissenschaftlichen Sammlungen anatomischer Anomalien in den Kellern von Museen und medizinischer Institutionen. Aber weder hier noch woanders ist das „Normalmaß“ des Menschen zu finden, so dass sich der Verdacht aufdrängt, dass der Mensch im Grunde kein „Maß“ hat – außer in jenem der Maßlosigkeit.