Seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, verfolgen Peter Angerers konzeptionelle Arbeiten eine inter- bzw. transmediale „Strategie“, um über die differenziellen, materiellen und formalen Qualitäten einzelner bildnerischer Medien auch die unterschiedlichen Konnotationen „spielen“ zu lassen, die eben mit den jeweiligen Ausdrucks- und Darstellungsformen verbunden sind. Sein eigentliches „Medium“ ist ja im Grunde das mediale „Crossing“, durch das sich ein Verweisungszusammenhang zwischen den einzelnen medialen Instanzen ergibt. Die „Selbstreflexivität“ der einstigen avantgardistischen Kunstgattungen, aus der heraus sich im 20. Jahrhundert ja die so genannte Autonomie der Kunst bzw. die Emanzipation der „Mittel“ entwickelte und die sich vor allem in den 1960er- und 1970er-Jahren als Medienreflexivität und Medienkunst auch mit sozio-kulturellen Inhalten und entsprechender Kritik anreicherte (nachdem sie in ihren extremsten Ausprägungen zur scheinbar rein formalen „Übung“ geworden war), führte ja zur Einsicht, dass jedes Medium auch spezifische Auswirkungen auf die sog. „Inhalte“ mit sich bringt.
Medien – ob Bild-Medien wie Malerei, Photographie, Druckgraphik, Film und Fernsehen, Video etc. oder Schrift- und Tonmedien, aber auch „Gegenstandsmedien“ wie Architektur und die plastischen Gattungen bis hin zu allen Formen der Objektkunst – sind eben nicht „neutral“, sondern legen auch spezifische Konnotationen auf semantischer Ebene fest. Nichts anderes wollte ja Marshall McLuhan mit seinem meist missverstandenen Slogan „The medium is the message“ zum Ausdruck bringen. Das klassische Beispiel dafür ist nicht zufällig die fundamentale Differenz zwischen den Phänomenen „Bild“ und „Sprache“ (bzw. deren alphabetischer Verschriftlichung). Der graphisch-ikonische Code und der sog. Phonetische (alphabetisch-literale) Code implizieren völlig konträre semantische Aspekte – selbst wenn sie sich auf angeblich analoge Bedeutungen beziehen. Die wichtigsten Unterschiede zwischen Bild- und Sprachcode bestehen in der Gegensätzlichkeit des Konkreten (Besonderen, Individuellen) gegenüber dem Allgemeinen (d. h. Abstrakten) und zwischen dem Merkmal des „Synthetischen“ gegenüber dem Analytischen. Um es hier nur kurz anzudeuten: Der linguale Code ist strukturell analytisch, semantisch oder abstrahierend, während der ikonische Code strukturell synthetisch und semantisch zum Konkreten tendiert. Diese spezifischen Differenzen zwischen dem lingualen und dem ikonischen Code, zwischen „Wort“ und „Bild“, sind nicht nur das implizite „Hintergrundrauschen“ unseres „Weltverstehens“ sondern sie sind in den Arbeiten Peter Angerers sehr oft auch expliziter Ausgangspunkt. In den vorliegenden künstlerischen Arbeiten geht er etwa vom Begriff „Plastikwörter“ aus, deren Eigenschaften Uwe Pörksen durch ihren Abstraktionsgrad und ihre „unscharfe stereotype Gebrauchsvariante“ bestimmt, die zwar „einheitliche, übersichtliche Räume“ (der Bedeutungen) schaffen, aber auch „die individuellen Besonderheiten“ unkenntlich machen bzw. deren semantischer Gehalt durch keine konkrete, persönliche und unmittelbare Erfahrung konstituiert wird. Wer kennt und verwendet diese Begriffe, diese Plastikwörter, nicht selbst im alltäglichen Leben? Sie sind zwar für alles anwendbar, aber ihre eigentliche, „konkrete“ Bedeutung kann kaum angegeben werden: System, Struktur, Entwicklung, Identität, Fortschritt etc. Dem entsprechend erweisen sich Worte oft als (seltsames) abstraktes „Schweben“ über den eigentlichen Bedeutungsgehalten – symbolisiert wird dieser Umstand durch Peter Angerer, indem er auf PE-Folie applizierte Begriffe durch den Raum schweben lässt. Ein weiterer Aspekt dieser „Unbestimmtheit“ der Plastikwörter besteht auch in ihrer kontextuellen Variabilität – beinahe in jedem Sinnzusammenhang sind sie verwendbar (aber ohne wirklich etwas zu sagen!): Dies setzt der Künstler in Form der T-Shirt-Aufdrucke um.
Gleichzeitig sind sprachliche Begriffe auch Medien eines überindividuellen, allgemeinen, kollektiven Gedächtnisses. Begriffe bzw. ihre semantischen Ebenen manifestieren ja gleichsam das Denken jener historischen Epochen, in denen sie definiert und verwendet werden – allerdings mit dem Aspekt, dass jede kollektive „Aufladung“ auch ihre individuelle Besonderheit „zerstört“. Dennoch sind Worte als „kulturelles Archiv“ vor allem eine Ordnungsstruktur, die die soziale Kommunikation reguliert. Peter Angerer manifestiert dies in der rigorosen Regal-Architektur mit 310 Ordnern als „Körper“ einzelner Buchstaben, die sich – ausgehend vom Begriff „System“ – in einer strengen Kombinations-Matrix über die Regalebenen verteilen. Jede Buchstabensetzung findet sich photographisch dokumentiert – ebenso wie sich die Begriffe auf „Worttischen“ in einer von außen nach innen gewundenen Spiral-Quadratur lesen lassen, bis hin zu einem „Spiegeltisch“, der die Begriffe „kippen“ lässt.
Eine Anspielung auf das mögliche „Kippen“ des Ökosystems findet sich in der Arbeit „Plastic inside“, die die Tatsache thematisiert, dass sich unser „Plastic Planet“ nicht nur außerhalb unseres Körpers „globalisiert“, sondern dass sich die über die Nahrungskette aufgenommenen Plastikpartikel schon längst in uns „anreichern“: Now we are plastic people!