Herbert Soltys kommt vom Bühnenbild und er weiß daher um die „Kraft“ und Energie großflächiger Bildformate. Begegnet der Betrachter diesen „übermenschlichen“ Gesichtern der Portraits, so wird er unmittelbar in den Bannkreis der Ausstrahlungskraft der dargestellten Charaktere „gesogen“. Diese Wirkung ergibt sich nicht allein durch den Eindruck dieser Gesichter und der Blicke, die den Betrachter entweder fest aus dem Bild heraus „ansehen“ und fixieren, oder die in eine Ferne sehen als wollten sie jedes Gegenüber im wahrsten Sinne des Wortes auch „übersehen“, sondern primär aufgrund des „Charakters“ der Portraitierten. Hier verdichtet sich die jeweilige Lebensgeschichte der Persönlichkeiten nicht nur in deren physiognomischem Erscheinungsbild sondern in dem, was ein Bild an sich nicht sagen und zeigen kann – im Ungesagten und nicht Darstellbaren verspürt man das Gewicht (d. h. die Geschichte) des bisherigen Lebens der Portraitierten, das für manche/n einen durchaus mühsamen und unentwegten Kampf in und mit der historischen Epoche, in die ihr Leben eingebettet war und ist, bedeutet(e). In diesen Gesichtern geht es dem Maler auch um die Aspekte der Erkennbarkeit und Erkennbarmachung der Portraitierten, so dass hier nur zwei der dargestellten Persönlichkeiten namentlich genannt werden sollen: Maria Altmann (M. A.) und Wolfgang Koeppen (W. K.). Die sich aus der Bildfläche konzentrisch oder elliptisch ausbreitende Strahlenkorona hat nicht nur symbolische Bedeutung als Indiz des Erstrahlens der Charaktere sondern lässt die Gesichter auch aus einem im unsichtbaren und damit unendlich entfernten Fluchtpunkt liegenden Anfang in die Gegenwart, in das „Hic et nunc“, in eine intensive Präsenz (als Hier-sein) und in ein zeitliches Präsens (dieses augenblickhafte Jetzt) treten. In formaler Hinsicht verstärken diese linear gemusterten, konzentrisch sich ausweitenden Lineaturen den räumlich-perspektivischen Eindruck und erhöhen so die Plastizität der Gesichter bis zum Eindruck einer überdimensionalen Büste. Wer Herbert Soltys bisheriges künstlerisches Ausdrucksrepertoire kennt, weiß auch, dass die hier vorliegende Portraitserie sowohl technisch- formal wie auch kunsttheoretisch in einer Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte verankert ist. Neben der Tradition des Tafelbildes und jener des Portraits – von der Renaissance beginnend bis zur seriellen Produktion im Stile Andy Warhols, der damit den „innersten“ Kern des Portraits in der Moderne als bloßen Image- Effekt enthüllte – werden von Soltys auch die Wahrnehmungseffekte der Op-Art in seine eigene künstlerische Arbeit integriert. Die graphisch- lineare Rasterung, die oft auch die Leinwandgrundierung als malerisch ausgespartes Gestaltungselement mit einbezieht, so dass sich eine schwebende Transparenz der die Gesichter umgebenden Fläche ergibt, erfasst ja auch den überwiegenden Teil der dargestellten Schulterpartien (mit Ausnahme eines signifikanten Elements wie etwa einen Krawattenknoten oder einer Hand) und betont so den kontrastierenden malerischen Duktus, in dem die Gesichter erscheinen. Während Herbert Soltys in seinen künstlerischen Reflexionen immer auch die bisherige Kunstgeschichte in seine Arbeit integriert, indem er verschiedenste Aspekte dieser Kunstgeschichte für seine eigene „Handschrift“ adaptiert, lässt er diese Portraits (und sich selbst) gleichfalls zum Teil dieser Kunstgeschichte werden. Und in Fortsetzung dieses Portrait-Projektes – geplant ist eine Fortführung mit jeweils zwei neuen Portraits pro Jahr – kann er sich gleichsam auf seinen eigenen Beitrag zur Kunstgeschichte als Dokument eines vergangenen Ist-Zustandes (hier wird das dokumentarische Moment sowie der Faktor der Veränderung, die jeder zeitliche Verlauf bedeutet, zentral) beziehen und diesen in den weiteren Fortgang des Projektes reflexiv einarbeiten. Darüber hinaus macht er natürlich auch die individuelle Geschichte dieser Persönlichkeiten, die ja wiederum ein Teil der umfassenden sozio-politischen Historiographie ist, zum Teil der Kunstgeschichte – nicht zuletzt auch in Form der „Ikonisierung“, die hier in Szene gesetzt ist, sowie in Form der subjektiven Annäherung und malerischen Interpretation, in der Herbert Soltys diese Persönlichkeiten darstellte.