Die Bild(ver)dichtungen Alois Neuholds wachsen langsam (oft über viele Monate) wie seltsame polychromatische Korallengebilde aus der zweidimensionalen Fläche der kleinformatigen Leinwand „in den Raum“. Mit akribischer Genauigkeit wachsen organischzellulare Verbindungen und Verflechtungen mit unzähligen Aushöhlungen, Ein- und Ausbuchtungen – als wolle er die zu bemalende Oberfläche des zur Verfügung stehenden Raumvolumens auf „mikrologischer“ Ebene bis ins Unendliche hinein ausweiten. Und dieser Gedanke ist ja durchaus verführerisch – denn eine unendliche Teilung in Raumvolumina würde auch die Oberflächen beinahe exponentiell anwachsen lassen – das Universum würde sich nicht nur expansiv unendlich ausdehnen sondern eben auch in seiner mikroskopischen Struktur. Schon der Entstehungs- und Produktionsprozess entspricht der Idee eines „organischen Wachsens“ der Bildplastik und ist im Grunde eher ein meditatives „Entstehenlassen“ – immer wieder erfolgt ein Zurücktreten, ein Abstandnehmen, um das komplexe Zusammenspiel der Einzelelemente neu ab- und einzuschätzen. Es verwundert daher nicht, wenn sie letztlich den Eindruck einer kultischen Ikone evozieren, eines Kultbildes – verstärkt durch die statisch wirkenden, in Frontalansicht gezeigten menschlichen Figuren mit ihren expressiven Gesichtszügen und der nur symbolisch angedeuteten Geschlechtszugehörigkeit. Alois Neuholds „magische Schreine“ zeigen meist Menschenpaare in „mystischen Fenstern“, vielleicht als Verdichtung der Frage nach dem „Menschsein“, als Frage nach der „Ganzheit“ des Menschen, vielleicht aber auch im ursprünglichen Sinne eines Totems – als „kultische Bannung“ all dessen, was es heißt, Mensch zu sein! Hinter all dem steht aber auch eine ironische Relativierung: Der „Zwetschkensinn des Lebens“ und „wiehernde Zeichen“! Jedenfalls bestimmt die Idee der größtmöglichen Dichte auf kleinstem Raum die Bildgestaltung – sowohl auf graphischer, malerischer wie auch plastischer Ebene. Die Fläche „wuchert“ plastisch in die Räumlichkeit, der Raum verzweigt sich in zahlreiche konkave und konvexe Krümmungen, die schließlich bis in die letzten, kaum einsehbaren Formen bemalt werden – und in diese durchaus „barocke“ Plastizität und Färbigkeit finden sich archaisch anmutende menschliche Figuren eingepasst. In den vorliegenden Arbeiten ist die Gestaltung der Figuren wieder auf die Fläche und deren graphisch-malerische Formgebung konzentriert. Dies entspricht einer in den letzten Jahren neuen, intensiven Gegenüberstellung des streng Geometrischen, des Zeichnerisch- Linearen und Organischen, das aber letztlich nicht weniger streng aufgebaut ist. Diese „Reduktion“ auf eine geometrisch-lineare Darstellung der Figuren verstärkt die Gegensätzlichkeit der Gestaltungsebenen – einerseits die barocke Plastizität der beinahe biomorphen Strukturen und andererseits die extreme graphische, „archaische“ Stilisierung, die nun intensiver in ihrer ästhetischen Eigenwertigkeit wahrgenommen werden können. Die einzelnen Arbeiten variieren nun diese Gegensätzlichkeit von Fläche, Linie und Raumverschachtelung hinsichtlich der Frage ihrer Abgrenzung bzw. der Möglichkeiten, zwischen diesen Antagonismen Übergänge zu entwickeln, um eine Ausgewogenheit der Bildgestaltung zu erreichen. Immerhin dürfte dieser Dualismus der Gestaltungsformen, d. h. der Formgebung selbst, der in den vorliegenden Arbeiten zum Ausdruck kommt, eine grundsätzliche Spannung des menschlichen Gestaltungsvermögens zwischen formal „kontrollierter“ (geometrischer) Stilisierung und eines formal weniger rigide gefassten, spielerisch-freien Gestaltens anzeigen. In diesem Sinne manifestieren die Gestaltungsmodi Alois Neuholds, die er in einem „Bild“ zu vereinen sucht, kulturgeschichtlich fundamentale, aber eben divergierende Möglichkeiten. Die Vereinbarkeit der beiden Pole des Gestaltens steht damit in jeder einzelnen Arbeit erneut in Frage.