Kapelle, Säule und Haus – diese Objekte könnte man beinahe als trinitarische Gliederung jener menschlichen Ordnung bezeichnen, mit der sich die menschliche Kultur gegenüber der in der Frühgeschichte des Menschen meist bedrohlich empfundenen Natur einen eigenen Lebensraum schuf. Während das Phänomen der Säule das Prinzip des Tragenden schlechthin manifestiert, auf deren Grundlage sich Räume ja nicht nur gegen die Außenwelt abschließen, sondern eben auch „öffnen“ können, symbolisiert die Grundform des Hauses den genuin menschlichen und pragmatischen Lebensraum mit der primären Funktion des Schutzes gegenüber der Umwelt. Dem steht die Kapelle als Raum des Heiligen, das weder natürlich noch vom Menschen geschaffen ist, als Bereich des Transzendenten, also des „Über-Schreitens“ immanenter Begrenztheit gegenüber. Schon in der Verwendung bloßen Verpackungsmaterials als „Baustoff“ unterläuft Christian KRI Kammerhofer all diese bedeutungsträchtige Symbolik und Funktionalität von Kapelle, Säule und Haus. Nicht nur, dass der verwendete Pappkarton in seiner Verpackungsfunktion für „wertvollere“ Güter ohnehin bloße Hülle (Verhüllung) war und nur mehr zur Entsorgung bestimmt gewesen wäre, durch die Fragilität dieses Baustoffes ironisiert er auch den Aspekt der Dauerhaftigkeit und des „ewigen“ Bestands menschlicher Produkte. Vor allem Sakralbauten wurden und werden gleichsam für die Ewigkeit geschaffen – losgelöst von irdischer Vergänglichkeit. Der Realität kommt die „Halbwertszeit“ des Kartons wohl tatsächlich näher! Und wenn auch das „wertlose“ Verpackungsmaterial aus den „Errungenschaften“ der synthetischen Chemie besteht, dann überdauert es zwar meist die Bestandszeit des Inhalts (welche Symbolik unserer Zeit!), aber eben nur als Giftmüll! Der eher dürftigen Lebensdauer moderner Produkte (außer als Vergiftungsschlacke unserer Konsumkultur für nachfolgende Generationen) entspricht auch, dass die Säulenkonstruktion – ithyphallisches Symbol androgyner Stärke und Machtanmaßung (man denke nur an die Tradition der Menhire, Stelen Obelisken und Triumphsäulen!) –, dass also diese Pappkartonsäule über der Basis „bricht“ und schräg an die Mauer des Stiftes gelehnt ist – als würde diese Konstruktion ineinander verschachtelter Kartonkuben im Moment des Zusammenbruchs angehalten, in der Schwebe gehalten durch altes, aber beständigeres Mauerwerk. Und auch die bereits am Boden unter der einbrechenden Säule verstreuten Kartonreste scheinen anzudeuten, dass der Mensch immer nur „auf Sand“ baut, dass alles Menschliche dazu bestimmt, ein entropisches Telos zu haben. Hier wirkt auch die „Technik“, die kippende Säule mit Hilfe von Kunststoff-Klebebändern, die sich wie ein wirres „Geäder“ um die Schachteln winden, eher vergeblich an. Auch Kunststoff, d.h. die allgegenwärtige Plastifizierung der Welt, wird ihren Zerfall nicht aufhalten können. In diesem Sinne ist auch die Kapelle eine „zusammengeklebte“ Konstruktion aus Karton-Abfall und Klebeband. Wieder ist man versucht, dies in all seiner Symbolik zu interpretieren: Das Kirchengebäude (Religion als metaphysische Fiktion?) ist ja angeblich auf und aus Stein („petrus“ [lt.] = Stein) errichtet: Zeigt es sich heute nicht als etwas, das geschichtlich wie moralisch aus allen Fugen zu bersten scheint – behelfsmäßig zusammengekittet auf der „Schutthalde der Geschichte“? Wie immer auch – in der Apsis der Kapelle arrangierte der Künstler einen „Meditationsraum“ aus einem weißen Papierblatt und strahlenförmig davon ausgehenden Papierschnitzeln. Während die Außenseite der Kapelle Beschriftungen aufweist, öffnet sich der Innenraum in schmuckloser Schlichtheit. Lediglich am Boden des „Hauptschiffes“ finden sich farbige Kartonreste (als Reste der kirchlichen Verführungskünste?). Die meditative Leere des Kapellenraums scheint die Beuys´sche Sentenz, dass eigentlich auf jeder Kirchturmspitze Fragezeichen sein sollten, zur unmittelbaren Erfahrung werden zu lassen. Pappkarton ist allerdings nur für eine übersättigte, selbstzufriedene Überflussgesellschaft bloß unnützer Abfall mit kurzlebiger Nutzbarkeit. Man denke nur an all jene Obdachlosen, denen nichts anderes als Karton bleibt, um sich gegen Nässe und Kälte ein „Haus“ zu bauen. Etwas sarkastisch könnte man meinen, dass lange vor jeder „Recycling“- Mode, Armut zu Wiederverwertung und Nachhaltigkeit gezwungen hatte – vielleicht könnte man daraus noch lernen! Jedenfalls beschäftigt sich Christian KRI Kammerhofer schon seit längerem mit dem „Urtypos“ des Hauses – einerseits ist es für ihn Symbol für Geborgenheit, Schutz und Intimität, andererseits stellt das fundamentale einfache Raumvolumen ein ideales Grundmodul für experimentelle Raumstudien dar. In zeichnerisch- konstruktiven Studien wie auch als Modell spürt er den Möglichkeiten der „Raumerschließung“ nach. Das Haus als solches trägt für ihn ja beinahe anthropomorphe „Gesichtszüge“ mit Fenstern und Türen als Augen, Ohren und Nasen. Häuser sind ja (wie die Architektur insgesamt) im Grunde nach der biologischen Haut und der Kleidung eine weitere „Haut“ des Menschen – um das thermodynamische Gleichgewicht zur Umwelt zu regulieren, wie Marshall McLuhan meinte.