Florian Nitsch

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Die künstlerische Handschrift von F. Nitsch ist mit diesen „Gleichungen“ tatsächlich beschrieben. Wenn er zeichnet, schreibt er und wenn er schreibt, malt er – graphische „Schrift“ wird ebenso zum Bild wie Malerei oder Druckgraphik. Er zeichnet, malt, schreibt, druckt (z. B. „Printed, not painted“, 2013) – er „kratzt“ seine Pinselgesten auf Papier oder Fotografien, als wolle er auf den gemeinsamen Ursprung des Schreibens und Malens verweisen. „Graphein“(gr.) bedeutet ja vor allem: graben, ritzen, kerben und erst dann „schreiben“. Jahrtausende vor den ersten bekannten Malereien begann der Mensch bereits mit graphischen Symbolen, die aber nicht auf Oberflächen aufgetragen wurden, sondern die in diese Oberflächen „eingegraben“, geritzt waren. Noch heute erzählt die Tradition der Tätowierung etwas von der magischen „Kraft“ des Graphischen, das in die eigene Haut geritzt ist – unlösbar verbunden mit dem menschlichen Körper (und Wesen) als Zeichenträger. Dies scheint Florian Nitsch auch zu bestätigen, wenn er schreibt: „Ich bin das blühende Nichts. Arbeit als Erweiterung von meinem Körper. Meine erweiterte Haut / Oberfläche – ist außerhalb meines Körpers – trägt meine innere künstlerische Vision – spiegelt mein Inneres, ob ich will oder nicht.“ So werden alle verfügbaren Oberflächen zu einer Ausweitung seiner „Haut“ – Malerei, Zeichnung, Siebdruck, Fotografie – geschriebene (gekratzte) Worte – mixed media, weil eine Unterscheidung der einzelnen Ausdrucksmedien im Grunde nicht korrekt wäre. All diese künstlerischen „Medien“ vermischen sich in einem Cross-over, alle verfügbaren „Oberflächen“ künstlerischer Aktivitäten werden zu einer „Ersatzhaut“, die seine „inneren künstlerischen Visionen“ gestisch-expressiv, beinahe explosiv nach außen tragen. Im (theoretischen) Hintergrund steht dabei die konzeptuelle „Aneignung“ bzw. Untersuchung unterschiedlichster Materialien, Medien, Formen und Strukturen, die dem Künstler gegenüber immer einen gewissen „Druck“ ausüben, dem es „standzuhalten“ gilt – „der Struktur, dem Formalen, den Bedingungen“ (F. Nitsch) gegenüber. Jedes „Medium“ stellt in Form spezifischer Eigenqualitäten grundlegende „Dispositionen“ des künstlerischen Arbeitens dar, der künstlerische Ausdrucksimpuls muss sich damit auseinandersetzen, muss Wege finden, sich so authentisch wie möglich gegen die „Widerstände“ des Materials und der spezifischen formalen Bedingungen durchzusetzen. Was lässt sich wie bildlich oder nur sprachlich ausdrücken, darstellen, andeuten, beschreiben …? Und wie lässt sich diese Fragestellung, dieser konzeptuelle Rahmen anhand konkreter Arbeiten mitteilen? Die Einbindung des kraftvollen, spontanen Expressionismus der „Handschrift“ des Künstlers in einen konzeptuellen Gesamtkontext bildet eines der Spannungselemente der Arbeiten Florian Nitschs – ein Spannungsmoment, das auch aus dem (scheinbar) prinzipiellen Antagonismus von künstlerischen Ausdruck und theoretischem Konzept entsteht. Es gehört wohl zu einem der „schwierigsten“ (aber auch wichtigsten!) Ansätze in der Kunst, „Theorie“ und „Praxis“ in Übereinstimmung zu bringen – dieses beinahe unmögliche Unternehmen scheint sich Florian Nitsch zum künstlerischen Konzept erkoren zu haben!

 

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